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Die Provinz Varese

Wie es die Pfahlbau Funde am Lago di Varese auf der kleinen Insel Virginia und in der Nähe der Seen von Monate und Comabbio bezeugen, gehen die Spuren der Menschen auf die zweite Hälfte des vierten Jahrtausends v.Ch. zurück. Im 4.Jhdt. v. Chr. besetzen die insubrischen Gallier das Gebiet der Provinz, ihnen folgen die Römer. Die Nekropolen bei Mercallo und Comabbio sowie die Funde in den Gemeindegebieten von Osmate und Travedona zeugen von der römischen Präsenz in der Region.
Im 4.Jhdt. v. Chr. entwickelt sich das Zentrum Castelseprio, von dem heute noch beeindruckende Reste übrig sind. Aus dem ursprünglichen Militärstützpunkt wird später eine richtige befestigte Zitadelle.
Das Gebiet der heutigen Provinz gelangt unter den Einfluss Mailands und erduldet anschließend die spanische, die französische und schließlich die österreichische Vorherrschaft. Die Hauptstadt Varese bleibt immer freie Stadt, muss jedoch zur Erhaltung dieser Freiheit zeitweise hohe Tribute zahlen. Kurzzeitig wird aber die Stadt als Lehen des Herzogs von Modena Francesco III d’Este unterworfen, eine Zeit, der das kleine Schönbrunn zu verdanken ist, das heutige Rathaus, umrahmt mit einem außergewöhnlich schönen französischen Garten.
Weiteres wichtiges kunsthistorisches Zeugnis der Hauptstadt ist die Basilika San Vittore mit der wertvollen klassizistischen
Fassade von Pollak und zahlreichen Werke von Cerano, Mazzucchelli und Crespi. An ihrer Seite das ursprünglich aus dem 7.Jhdt. stammende Baptisterium, das in der Zeit zwischen dem 12. und 13. Jhdt. wiederaufgebaut wurde und unter anderem einige wertvolle Malereien aus dem15. Jhdt. enthält.
Über der Stadt thront jedoch der wahre Schatz, der Sacro Monte Bereich, wobei seine heutige Form der Via Sacra aus dem 17.Jhdt. stammt. Die Kapellen und das Kloster am Gipfel sind nun von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt worden. Mit der Anhöhe des Sacro Monte schützend verbunden ist der Berg Campo dei Fiori, Zentrum des gleichnamigen Parco Regionale
und Reichtum der Provinz. Von der Spitze des Berges aus hat man einen herrlichen Blick, der sich am Horizont vom Alpenbogen bis zum Apennin verliert, mit einem einzigen Blick über die Poebene schweift, ohne dabei die Sicht auf die zahlreichen Seen dieser “terra delle acque” zu vergessen. Dicht mit Lärchen, Kastanienbäumen, Rottannen, Buchen usw. bewaldet, schmückt sich der Campo dei Fiori mit außergewöhnlichen Blumen, daraus leitet sich wahrscheinlich auch der Name ab: tatsächlich begleitet die Naturvielfalt dieses Parks den Naturfreund mit Farbe und Duft von Wildorchideen, Lilien, Anemonen, Krokussen, Maiglöckchen, Zyklamen, Primeln sowie vieler anderer Blumen und Pflanzen. Eine Natur, die einen gefangen nimmt - auch Stendhal war zutiefst davon getroffen und komponierte diesen Orten Lobeshymnen. Sie öffnet sich mit ständig neuen Überraschungen, wie den kleinen, wie Schmucksteine eingelegten Ortschaften und offenbart uns Kunstschätze, an denen es sicherlich nicht fehlt. Tatsächlich grenzt das Gebiet des Parks im NW an die Valcuvia, im O an die Valganna und im S an die Stadt Varese und weist abgesehen vom erwähnten S. Monte auch Schönheiten wie die Badia di Ganna auf, ein bedeutendes Benediktinerkloster aus dem 11. Jhdt. mit einem Kreuzgang aus dem 13./14. Jhdt., die die Spiritualität und Macht des Benediktinerordens in jener Zeit darstellen, der den NS Verkehr durch das Tal kontrollierte. Um nicht zu sprechen von den Jugendstil Schönheiten: dem Grand Hotel auf dem Campo dei Fiori, Werk des Architekten Giuseppe Sommaruga aus dem Jahre 1912, und der Birreria Poretti in Induno Olona vor den Toren Vareses, einem Jugendstilgebäude aus dem Jahre 1901. Auch dürfen wir die Rocca di Orino nicht vergessen, eine Festung aus dem 15.Jhdt., die wahrscheinlich aber auf noch älteren Grundmauern errichtet wurde und eine Rolle als Zufluchtsort für die einheimische Bevölkerung im Falle von Angriffen spielte.
Südlich von Varese finden wir noch zwei weitere kleine Seen: den Lago di Monate und den Lago di Comabbio.
Diese kleinen Wasserspiegel bildeten sich in der Eiszeit und sammeln das Wasser der umliegenden Gebiete, besonders jenes, das vom Campo dei Fiori Massiv herunter fließt. Die Ufer der beiden kleinen Seen sind von einer weit zurückreichenden und ununterbrochenen Geschichte gezeichnet und zeigen prähistorische, römischen und mittelalterlichen Spuren. Man muss daran erinnern, dass nicht unweit die Via Mercantesca von Novara aus in Richtung Nordeuropa vorbeiführte, ein Grund für das baldige Entstehen von Schutzhütten, Herbergen, Klöster, Kirchen und Residenzen. Seit jeher wurden die Seen als Reichtum angesehen, besonders der Fischerei wegen, der man hier schon immer nachging und die bis in die heutige Zeit reicht. Um sie zu fördern wurden Ende des vorigen Jahrhunderts einige Fischarten eingesetzt, so die Forelle.
Wenn man von Seen spricht, kann man nicht anders als von jenem See sprechen, der sich im Westen einem Großteil der Provinz entlang zieht: dem Lago Maggiore. Dieser See war schon immer ein bedeutsamer Verkehrsweg zwischen Nord und Süd, von der Poebene über den Fluss Tessin zu den Pässen Gotthard und Sempione im Norden. Die Visconti von Mailand waren sich der Bedeutung dieses Verkehrwegs bewusst und haben die Kontrolle über das Gebiet einer ihnen treu ergebenen Familie überlassen: den Borromeo. An den Ufern des Sees entstehen zahlreiche Festungsanlagen, unter ihnen die berühmte Rocca di Angera. Wie am Lago di Como, beherbergen auch die Ufer des Lago Maggiore mit ihrem milden Klima Pflanzen, die eines Mittelmeerklimas bedürfen.
Im Gegensatz zum piemontesischen Ufer des Sees, wird das lombardische weniger vom Massentourismus heimgesucht und eignet sich eher für einen beschaulichen und bewussten Tourismus, der es dem Gast erlaubt die Naturschönheiten dieser ruhigen Landschaft zu würdigen. Weiter im Süden breitet sich der Parco del Ticino aus, ein ökologisches Paradies mit zahlreichen ortsgebundenen sowie durchziehenden Tierarten, um nicht von den zahlreichen hier ansässigen Pflanzenarten zu sprechen. Nördlich von Varese treffen wir auf Täler, von denen, wie oben angedeutet, ein Teil zum Bestand des Parco Regionale Campo dei Fiori gehört.
Die Valcuvia ist ein breites Tal mit vielen kleinen geschichtsträchtigen Zentren, woran noch zahlreiche Spuren erinnern, darunter, abgesehen von der bereits erwähnten Rocca di Orino, die mittelalterlichen Turmreste von Cocquio Trevisago und der Kirchturm von Canonica.
Dieses Tal behütet ein kleines Juwel: Arcumeggia, eine richtige Freskengalerie unter freiem Himmel vor den Toren der Gemeinde von Casalzuigno. 1956 beginnt die Geschichte dieser kleinen Kunsthochburg: man beschließt, aus den Häusern dieser kleinen Ortschaft das Reich der alten Kunst des Fresko zu machen und so wird eine regelrechte Künstlerschar gerufen, diesen Traum von Schönheit umzusetzen: Tomiolo, Usellini, Migneco, Dava, Brindisi, Sassu und viele andere.
Casalzuigno hält eine weitere Überraschung für den Besucher bereit: Villa Della Porta Bozzolo. Seit ihrem Entstehen im 16.Jhdt. hat sich die Villa im Laufe der Jahre verändert. Ihre Krönung stellt ein Park in der Form eines Amphitheaters mit italienischem Garten dar sowie einer Inneneinrichtung im Rokokostil. Im Augenblick ist die Villa Teil des F.A.I. Kulturguts (Fondo per l’Ambiente Italiano). Zahllose andere Villen jedoch zieren dieses Gebiet: Palazzo Litta Arese, Cuvio und Palazzo Tagliabò sowie Cocquio, dies sin jedoch sicherlich nicht die einzigen.
Auch die Sakralbauten sind von großer kunsthistorischer Bedeutung: die Kirche San Biagio in Cittiglio und jene des San Bartolomeo in Cocquio Trevisago, die romanischen Kirchen von Gemonio und der Kreuzgang von Voltorre in Gavirate, San Quirico in Brenta aus dem 15.Jhdt. und das Franziskanerkloster von Azzio.
Wie diese Kunstwerte bereitet auch die gute lokale Küche eine angenehme Reise durch dieses Gebiet, so der Sancarlin Käse.
Unmöglich übergehen kann man die Natur dieses Winkels: sanft, wie sie einem weiten Tal zu Eigen ist, zugleich mit einer mannigfaltigen Flora und ausgedehnten und dichten Kastanien- und Buchenwäldern. Eine Naturlandschaft für ruhige Ausflüge und Spaziergänge.
Noch weiter im Norden treffen wir auf die Täler von Luino: Val Travaglia, Val Veddasca und Dumentina. Die Spuren des Menschen gehen bis auf die Prähistorie zurück (Fels-Gravuren in Luino, Curiglia und Montegrino). Die Römer haben hier nur spärliche Spuren hinterlassen, im Mittelalter aber gelangen diese Gegenden wegen der zentralen Verkehrslage zu Nord-Europa hin vollends zu ihrer Bedeutung, was die Errichtung von Befestigungsanlagen zum Schutz dieser Straßen zur Folge hat (Germignaga, Maccagno, Voldomino). Mit der Zeit gehen die zum Herzogtum Mailand gehörenden Täler in die Hände verschiedener Familien über, Kontrollen und Privilegien werden in der Zeit der ZisalpinenRepublik annulliert, eine historische Entwicklung, die eine nationale Unabhängigkeit ankündigt und vorbereitet.
Die Gegend um Luino variiert naturwissenschaftlich gesehen je weiter sie sich vom milden Klima der Seeufer in Richtung der Anhöhen hinter der Küste und im Landesinneren entfernt, und weist eine für diese Klimaübergänge typische Flora auf: Pinien und Tannen, Buschwerk, Birken, Farne usw.
Wichtig für diese Gegend an der nördlichen Provinzgrenze zur Schweiz ist die so genannte Linea Cadorna: während des Ersten Weltkriegs wuchs die Angst vor einem deutschen Angriff als Folge einer eventuellen Okkupation des helvetischen Territoriums von Seiten Deutschlands und somit vor einer Verschlechterung der Situation unserer Truppen, die bereits an der österreichischen Grenze in größten Schwierigkeiten waren. Daher wurden Befestigungen als Bollwerk zur Schweizer Grenze hin errichtet. All dies erwies sich glücklicherweise als nicht not- wendig, aber dieses Befestigungssystem aus Bunkern, Kasernen, Schützengräben, Kasematten, Magazinen und Militärstraßen blieb lange Zeit in verwahrlostem Zustand und wurde nun teilweise wieder saniert.
Es gibt dann noch einen weitern Ort, an dem die Zeit stillgestanden, ja regelrecht “verbannt” zu sein scheint: die Gemeinde Monteviasco. Dieses Dörflein ist die Diamantspitze der Val Veddasca, ausschließlich über einen alten Saumpfad mit ca. 1400 Stiegen und seit kurzem mit einer Seilbahn erreichbar, nicht jedochüber Fahrwege. Abgeschnitten von der Welt haben dort nicht mehr als zwölf Menschen ihren ständigen Wohnsitz, verliebt in die Wildnis und die paradiesische Einsamkeit ihres Dorfes. Oft zu Unrecht aus touristischer Sicht zur Seite gedrängt, steht die Provinz Varese, wie man sieht, nicht nur für seine Nähe zu Mailand und zur industriellen Produktion, sondern für eine sehr vielfältige Landschaft, in der Natur und Geschichte noch grundlegendüberwiegen und jenen allerhand bieten können, die diese Erde jenseits aller ungerechten und unbegründeten Vorurteile hinaus entdecken wollen.
Nochmals: ein Land der Gewässer, des Grüns der Berge, der Geschichte, der guten Küche, des Tourismus - eines bewussten und reifen Tourismus.



Deepenings

Palazzo Estense
Um die Hälfte des 18.Jhdts. wird der Herzog von Modena, Francesco III d’Este, Gouverneur der Lombardei, und Maria Teresa von Österreich schenkt ihm Varese, das er als Lehen unterwirft. Wahrscheinlich schon während seines ersten Aufenthalts in der Stadt im Jahre 1755 beschließt er, fasziniert von der Lieblichkeit des Ortes, hier seine Sommerresidenz zu errichten, eine richtige königliche Residenz. Die Menafoglio empfehlen dem Herzog das Haus Orrigoni mit den umliegenden Ländereien, kümmern sich um alles und beginnen mit den Erweiterungsund Renovierungsarbeiten. Besonderes Augenmerk wird auf den heute als „Salone Estense“ bekannten Saal gelegt:
Ausschmückung mit der Scheinarchitektur des Malers Ludovico Borsellini aus Modena und zentrales Ovalbild von Giovan Battista Ronchelli mit Jupiter, Venus und Amor. Krönung dieser Residenz sind die herrlichen französischen Gärten nach einem Entwurf von Giuseppe Antonio Bianchi, der dann vom Experten für Wasseranlagen Lodovico Bolognini abgelöst wird. Die Arbeiten gehen auch nach dem Tode des Herzogs weiter.

Santa Maria del Monte
Die Anhöhe des Sacro Monte, die über der umliegenden Ebene thront, hat anfangs große militärische Bedeutung, besteht sie doch aus einem Felsen, der fast bis ins 14.Jhdt. eine der wichtigsten Befestigungsanlagen des Contado del Seprio darstellt. Ab dem 15.Jhdt. gewinnt die religiöse Bedeutung die Oberhand und 1476 wird auf Wunsch der Seligen Caterina und Giuliana, die sich schon vorher hierher als Einsiedlerinnen zurückgezogen haben, das Kloster gebaut.
Anfang des 17.Jhdts. beginnen die Arbeiten zur Errichtung der Kapellen und der dazu gehörenden Via Sacra, ein zum Großteil dem Bruder G.Battista Aguggiari zu verdankendes Monumentalwerk; für seine Umsetzung ruft man den Architekten Giuseppe Bernascone. Der Komplex beruft sich auf die Rosenkranz- Geheimnisse und endet in der Kirche, der letzten Kapelle des Pilgerwegs, in der man die Himmelfahrt Mariens feiert. Wir erinnern daran, dass dieses Monument nicht weit von der Schweiz liegt und im 17.Jhdt., der Epoche der Gegenreformation, die Rolle eines Bollwerks gegen ein eventuelles Vorrücken des Protestantismus spielt. Am 22. Mai 2004 wird der Sacro Monte von Varese offiziell von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

 


Bibliographie


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